Autor: Maciej Małaj

Lesezeit: 6 Minuten

Wie du verkaufst, wenn du kein Verkäufertyp bist. Anastasia Folman rät

Im Laufe der fünfzehnjährigen Karriere der Familienfotografin Anastasia Folman ist vieles passiert. Die Gründerin der Vereinigung Professioneller Kinderfotografen hat viele Ausstellungen organisiert, mehrere Preise gewonnen, jede Menge treuer Kunden gewonnen und ihre Business-Strategie um ein Vielfaches verbessert. Sie hat ihr eigenes Verkaufsmodell entwickelt. Was bei ihr in Bezug auf Preislisten und Demoprodukte am besten funktioniert - darüber hat sie während des nPhoto-LiveChats erzählt.

Nach dem Lockdown hat Anastasia im Prinzip genauso viele Aufträge wie früher. Zwar lässt ein schöner Schwangerschaftsbauch bzw. ein neugeborenes Kind nicht auf sich warten, aber es gelang ihr, den Eltern zu erklären, dass die Fotos von dem Kleinen genauso schön aussehen können auch wenn es inzwischen etwas älter geworden ist.

Wie sehen Preislisten und Preispakete aus?

Auf ihrer Webseite ist alles sehr transparent dargestellt. Die Preisliste ist als PDF-Datei sehr einfach zu finden. Sie sieht wie ein kleines Magazin aus. Jede Seite besticht mit einem schönen Foto von den angebotenen Fotoprodukten. Dann folgt eine kurze Beschreibung und ganz unten sind in der Regel drei Pakete aufgelistet. Es steht geschrieben, was jedes Paket enthält ggf. was nicht.

Die Preise sind von der günstigsten bis zur teuersten Variante geordnet, wobei der Preisunterschied zwischen den ersten zwei Paketen relativ gering ist. Wir erfahren von Anastasia, dass sich 60 bis 70% der Kunden für die mittelpreisige Variante entscheiden. Knapp ein Viertel gönnt sich die teuerste Version. Nur wenige Kunden nehmen das günstigste Paket. Wenn jemand nicht akut knapp bei Kasse ist und sich für ein Shooting bei professionellen Fotografen entscheidet, dann achtet er in erster Linie nicht darauf, so wenig wie möglich auszugeben.

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Manche glauben, dass Preispakete den Fotografen in seinem Verkaufspotential einschränken. Allerdings betont Anastasia, dass der Gegenteil der Fall ist. Auf den weiteren Seiten der Preisliste befinden sich die Produkte, die man separat bzw. zusätzlich zu einem Paket kaufen kann. Man findet dort Produkte wie Triplexe, die außerhalb von den Paketen erhältlich sind und wiederum die USB-Sticks, die der Kunde nur im Rahmen eines Pakets bekommen kann. Die kleinen Lite-Alben und auch großen, klassischen Alben erfreuen sich einer besonders großen Beliebtheit. Der Kunde kann bei ihr viel mehr Geld ausgeben, als das, was er für das teuerste Paket ausgibt.

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Trotzdem ist es wichtig, die Anzahl an Paketen, die zur Verfügung stehen, gering zu halten, um dem Kunden die Qual der Wahl zu ersparen. Schaut man sich in der Kneipe ein Menü mit zig Pizzen zur Auswahl an, kommt schnell Frust auf.

Darf man überhaupt die Preise erhöhen?

Anastasia hat von Anfang an mit Preispaketen gearbeitet. Wichtig dabei ist, dass die Preiserhöhung bei ihr eher selten ist. Vielmehr versucht sie, die bestehenden Pakete Anfang des Jahres umzustrukturieren. “Ich habe so viele Aufträge, wie es mir lieb ist. Ich würde die Preiserhöhung nur dann in Betracht ziehen, wenn ich richtig zu viele Aufträge bekommen würde”. Die Produkte, die sich nicht so gut verkaufen, werden zurückgezogen. Neue Printprodukte kommen hinzu. Dadurch will sie verhindern, dass mehrere Kunden für die gleiche Leistung verschiedene Preise kriegen.

Natürlich muss man die Preise etwas an die Umgebung anpassen, da die Unterhaltungskosten stark variieren. Anastasia wohnt auf dem Lande. Sie gibt zu, dass sie ihre Preise viel höher festlegen müsste, wenn sie zum Beispiel in München ansässig wäre.

Preisverhandlungen? Nein, danke

Um die Transparenz aufrechtzuerhalten, sind die Preise bei Anastasia nicht verhandelbar. Das spart ihr und den Kunden kostbare Zeit. Ihr Ziel ist es auch nicht, Schnäppchenjäger, bzw. Pfennigfuchser anzuziehen.

Zuletzt haben sich bei ihnen drei Kundinnen gemeldet, die sich für das gleiche Paket entschieden haben, und die sich zufällig untereinander kannten, ohne dass Anastasia davon wusste. Es wäre etwas peinlich, wenn jede von ihnen einen anderen Preis verhandelt hätte.

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Muss der Fotograf seine Verkaufsrede herunterrattern?

Die Pakete sind so detailliert beschrieben, dass sie es nicht braucht, die Überzeugungsarbeit zu leisten. Zudem ist sie sowieso kein „Schwärmer-Typ“. Jeder Kunde kalkuliert für sich selbst. Die Pakete sind so geschnürt, dass man alles viel günstiger kriegt, als wenn man die Bilder separat buchen würde. Der Kunde muss nicht darüber aufgeklärt werden – er macht die Mathematik für sich selbst. Er will zum Beispiel das günstigste Paket (290 EUR) aber dazu noch 5 Bilder. Mit jedem Foto für 35 EUR kommt er auf über 400 EUR an, was schon den Preis von dem mittleren Paket übersteigt.

 

Demoprodukte für nichtverkäuferische Geister?

Das Studio von Anastasia ist mit vielen Musterprodukten ausgestattet. Der Kunde ist dadurch immerfort von exklusiven Printprodukten umgeben. Der Eine fängt plötzlich an, in einem Album zu blättern. Der Andere fragt etwas schüchtern beim Warten oder beim Stillen: “Darf ich reinschauen?”. Die Produkte schwärmen für sich selbst. Der Fotograf muss nichts mehr sagen, außer vielleicht: “Das und das steht bei mir zur Auswahl”. Das Beispiel von Anastasia zeigt, dass man kein redegewandter Typ sein muss, um erfolgreich zu verkaufen”.

Sie geht aber noch einen Schritt weiter. Stellen wir uns mal vor, dass es dem Fotografen gelungen ist, dem Kunden ein super schönes aber auch teures Produkt aufzuschwatzen. Der Kunde ist am Anfang auch glücklich und gespannt, aber sobald er nach Hause kommt ist die Begeisterung weg: “Warum habe ich mich zu solcher Geldverschwendung überreden lassen?” Das nennt man fachlich Nachkaufdissonanz. Na ja. Du, Fotograf, hast dein Geld verdient. Verdient hast du dir aber zugleich auch die Gewissheit, dass du von diesem Kunden nie weiterempfohlen wirst.

Dieses Szenario geht nicht in Erfüllung, wenn der Kunde die Initiative ergreift und sich aus eigenen Stücken für ein Fotoprodukt entscheidet. Im Gegenteil. Der Kunde bekommt von Anastasia alle Fotos zur Ansicht und kann in aller Ruhe zu Hause darüber nachdenken. Die Erfahrung unserer Fotografin zeigt, dass zum Beispiel die Kunden, die sich ursprünglich für das Paket mit 10 Fotos entschieden haben, sich richtig schwer damit tun, tatsächlich nur 10 Highlights auszuwählen und sich in vielen Fällen entscheiden, mehr Bilder zu kaufen, ohne dazu überzeugt werden zu müssen. Übrigens ist Anastasia so stark von ihren Fotos überzeugt, dass sie daran nichts Verwerfliches sieht, den Kunden ihre unbearbeiteten Bilder zu zeigen.

 

Der Kunde sieht die Fotoprodukte im Fotostudio stehen und liegen, auf Instagram Video oder…. zu Hause bei einem Bekannten , der einst Anastasia mit dem Shooting beauftragt hat. Auf dem Printprodukt steht kein Logo von ihr, sondern nur die Internetadresse. Schlichte, unaufdringliche Werbung. Mann muss doch die Sache in der Hand halten, um die Kaufentscheidung zu treffen. Du wirst kein Porsche kaufen nur deshalb, weil dein Freund so leidenschaftlich davon schwärmt.

Etwas Outsourcing betreiben und schwimmen gehen

Facebook. Instagram. Buchhaltung. Retouche. Farbkorrektur. Druck. All das kann ein Fotograf selbst tun - muss aber nicht. Anfangs druckte Anastasia die Abzüge selber zu Hause. Als sie aber mehr Aufträge bewältigen musste, merkte sie, dass es finanziell kaum einen Unterschied gibt, wenn sie einen externen Dienstleister (na ja, in diesem Fall nPhoto) beauftragt. Sie bekommt dadurch die Qualitätsgarantie und etwas Freizeit. Während der Corona-Krise kriegte ein befreundeter Grafiker von ihr plötzlich keine Aufträge mehr. Anastasia dachte “Warum helfen wir uns nicht gegenseitig?” Sie lässt ihre Bilder bearbeiten. Er bekommt Geld und sie kann unterdessen schwimmen gehen.

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“Es gibt nie falsch oder richtig”, fasst Anastasia zusammen: “Dein Verkaufsmodell muss zu dir passen, so dass du dich damit wohlfühlst, gutes Gewissen hast, ausreichend viel Geld machst und du selbst dich von einem solchen Fotografen wie du, gerne bedienen lassen würdest”.

Bist du auf unserer Facebook Gruppe für Profi-Fotografen noch nicht dabei? Schreib dich in die nPhoto Gemeinschaft ein und schau dir das ganze Interview an. Bei Fragen kannst du auch direkt bei Anastasia nachhaken.

 

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