In der Krisenzeit können die Kunden etwas weniger für die Shootings ausgeben. Fotografen möchten trotzdem genauso viel verdienen wie zuvor. Wie vereinbart man das? Die Antwort lautet Mini Sessions. Während des Live-Chats von nPhoto erzählte Natalie Milde von ihrem erfolgreichen Geschäftsmodell mit dem Schwerpunkt Mini Shootings.
Fotostudio: Zwischen Fahrrädern und Autoreifen
Es hat ganz “mini” begonnen. Bei Natalie in der Wohnung. Ein Zimmer als Fotostudio eingerichtet. Die Kunden müssen durch das Wohnzimmer, durch das Private. Ein Mann mit Fernbedienung und Co. Tja, anfangs kommt der Erfolg nicht ohne Opfer. Allmählich wird es etwas unpraktisch. Ein Studio im Keller wird eingerichtet. Geht etwas besser. Allerdings fühlt sich Natalie zwischen Autoreifen und Fahrrädern nicht ganz optimal, auch wenn die Weihnachtsdeko für Behaglichkeit sorgt.. Immer mehr Kunden klopfen an die Tür und einige Monate später kann sie sich schon ein eigenes 50 Quadratmeter großes Studio leisten. Dann wieder ein Umzug in das zweimal so große Studio. Nun hat sie noch ein geräumiges Atelier, wo sie eine festliche Deko einrichten kann und es bleibt ausreichend Platz für einen anderen Hintergrund für ein alltägliches Familien- bzw. Schwangerschaftsshooting übrig.
Werbung: Kunden vom Spielplatz
Hat sie früher fotografiert? Ab und zu, wie jeder von uns und wie jede Mutter, die ihre Kinder gerne auf Bildern verewigt. Natalie ist eine sehr offene Person. In den Spielgruppen und auf dem Spielplatz kommt sie selbstbewusst auf andere Müttern zu. Kein Verkauf. Einfach menschlicher Smalltalk. So hat sie ihren ersten Auftrag erhalten. “Könntest du meine Kinder weihnachtlich abfotografieren?” Warum denn nicht. Sie hat die Nachbarin und ihre Kinder kostenlos fotografiert und ihr ein paar gedruckte Bilder in die Hand gedrückt. Nach ein paar Tagen begann es bei ihr zu klingeln.
Welche Werbung macht sie? Punkt 1: Mundpropaganda. Punkt 2: Facebook und Instagram - beide Netzwerke genauso erfolgreich. Das war’s. Keine anderen Werbekampagnen. Nicht mal ein ansprechendes Bild auf dem großen Schaufenster von ihrem Studio. Punkt 3: Ihre Freunde und Verwandten posten und leiten die Info weiter. Und alleine mit diesen Maßnahmen hatte sie im zweiten Jahr schon 55 Kunden für ihre Mini-Shootings.
Natalie Milde
Nun macht sie Mini Sessions hauptsächlich vor Weihnachten und Ostern, jeweils 90-120 Shootings. Mehr möchte sie gar nicht. Die Weihnachtsshootings beginnen um den 20. Oktober und dauern knapp zwei Monate lang. Nur gelegentlich, wenn sie mitten im Jahr den Bedarf hat, ihre Kasse zusätzlich aufzufüllen, veranstaltet sie die Minis mit dem Hauptmotiv Sommer bzw. Herbst.
Es spricht sich einfach rum. Nachdem der Kunde die Bilder zur Bearbeitung gewählt hat, schickt sie ihm oft, während er noch wartet, kleine “Vorschaubilder” in Webqualität per Whatsapp. Und was ist die Folge? Sie bekommt Anrufe und Nachrichten von neuen Kunden in der Art “Ich möchte bei ihnen ähnliche Fotos wie die von Sylwia machen lassen” obwohl die erwähnte “Sylwia” oft noch keine fertigen bearbeiteten Dateien erhalten hat!
Zeitmanagement: Wie schafft sie es mit den Mini Sessions?
Die Saison für kleine Weihnachtsshootings beginnt bei ihr um den 20. Oktober und dauert knapp 2 Monate. Es geht zwar nicht an jedem Tag, weil zum Beispiel Sonntage für Familienshootings vorbehalten sind, aber in der Regel ist ihr Kalender an 3-4 Tagen in der Woche voll mit Mini-Shootings Terminen. Insgesamt macht sie von etwa 90 bis 120 Mini Weihnachtsshooting im Jahr. Fast genauso viele werden in der Osterzeit gebucht. Da es sowieso etwas anstrengend ist, 6-7 Shootings am Tag hinzukriegen, kommt an solchen arbeitsreichen Tagen ihre Assistentin zur HIlfe.
Ein Shooting dauert höchstens 20-25 Minuten. “Mehr würde mit den Kindern sowieso keinen Sinn machen, denn sie sind nicht in der Lage, so lange konzentriert zu bleiben. Sie werden hungrig usw. Nach 25 Minuten haben sie einfach keine Lust mehr “, erklärt Natalie. Die Familien kommen schon in ihren Outfits an.
Zwischen den einzelnen Shootings macht sie etwa 10 Minuten “Verschnaufpause”, um sich Aufzufrischen. Zwischendurch schaut sie auch auf ihr Handy und wirft einen Blick in den Chat mit dem Kunden, der gleich eintrifft.
Wie viel kann man für ein Mini Shooting verlangen?
Am Anfang ging es bescheiden vor. 30 EUR pro Shooting, dann 50 EUR. Nach und nach ging sie weiter nach oben. Allerdings erfolgt der Preisanstieg bei ihr nicht “einfach so”. Sie versucht nämlich, die Pakete jeweils umzustrukturieren und zum Beispiel mehr bearbeitete Dateien in das Paket einzuschließen.
Momentan kosten die Mini Shootings-Pakete (Session und 5 Bilder) entsprechend 150 EUR für Kinder und 180-200 EUR wenn die ganze Familie abgebildet werden soll. Da sie dem Kunden etwa 100 unbearbeitete Bilder (mit Wasserzeichen) zukommen lässt, bleibt es recht selten bei 200 EUR, da sie viel mehr Bilder wollen, als es in dem Paket vorgesehen ist. Daraufhin kann sie an jeder Session im Durchschnitt etwa 300 EUR verdienen, ohne die Alben und Wandbilder mitzurechnen. Für das Paket wird vor Ort bar bezahlt. Für Nachbestellungen geht es über Paypal oder Überweisung.
Wie wichtig ist die Deko und wo bekommt man sie her?
Kleider machen Leute. Und ein schönes, familiär eingerichtetes Studio ist ein Mehrwert für den Fotografen. Manchmal schaut man sich richtig großartige Bilder an, aber diese kitschige Deko im Hintergrund….. Dabei sind zwei Dinge zu beachten. Der Fotograf selbst muss sich in dieser Umgebung wohlfühlen. Sei es Kerzen, Räucherstäbchen oder etwas ganz Anderes sollte die Einrichtung deinen persönlichen Stil widerspiegeln. Und zweitens: Genauso wie Natalie davon abrät, den Stil des Fotografierens von anderen absichtlich nachzumachen (besonders wenn der Berufskollege in der Nähe wohnt), sollte deine Deko einzigartig sein. Es ist kein Kompliment zu hören: “Na ja, die gleichen Stühle habe ich im Baumarkt gekauft und in mein Wohnzimmer gestellt”.
So hat sich die Deko bei Natalie über mehrerer Jahre geändert.
Natalie gab zu, dass sie anfangs einen Fehler gemacht hat und zwar kaufte sie billige Deko-Schnickschnacks. Wenn man die Fotos vom letzten Jahr und die von 2012 oder 2013 vergleicht, dann merkt man den Unterschied.
Sie bezieht ihre Deko hauptsächlich aus dem Ausland, vor allem über Amazon. Für stilvolle Möbelstücke findet sie die Kleinanzeigen von eBay am besten. Jedes Jahr muss eine neue Weihnachtseinrichtung her, wobei sie auch gerne auf die Elemente aus früheren Jahren zugreift.
Die neue Deko wird grundsätzlich im Sommer gekauft, wenn solche Dinge relativ günstige zu bekommen sind als im Herbst. Es empfiehlt sich, einen relativ großen Weihnachtsbaum zu kaufen, damit der Baum immer noch sichtbar ist, wenn große Menschen im Vordergrund stehen.
Bildbearbeitung, Bildpräsentation und Co
Natalie schafft die Bearbeitung von einem Bild in Photoshop innerhalb von wenigen Minuten. Lightroom kommt bei ihr nur in Anwendung, um die Dateien von RAW in JPG umzuwandeln und das Wasserzeichen aufzusetzen.
Der Kunde bekommt einen Dropbox-Link mit den Bildern. Sobald sie vom Kunden Bescheid bekommt, dass er die Dateien heruntergeladen hat, löscht sie sie vom Server. Das heißt: Sie archiviert nichts. Es ist ihr nämlich noch nie passiert, dass jemand auf sie zukam und fragte, “Ich hätte gerne noch dieses Foto vom letzten Jahr!”.
Welche Fotoprodukte verkaufen sich bei Mini Shootings?
Jahrelang gehörten Abzüge zu den Standard-Paketen von Natalie. Allmählich merkte sie aber, dass es richtig viel Zeit und Stress beansprucht, alle Bilder den richtigen Kunden zuzuordnen, sie zu verpacken, zu verschicken usw. Freilich bietet sie immer noch Abzüge an, aber sie sind nun ein Produkt, das separat angeboten wird und durch Upselling mehr Umsatz bringen kann.
So unglaublich es sein mag, entscheiden sich 90% ihrer Mini-Shooting-Kunden für Wanddeko. Leinwände und Fotos hinter Acrylglas sind besonders beliebt. Sie halten es für eine ansprechende Idee, etwas Großformatiges und Großartiges unter den Tannenbaum zu legen. Somit muss man über das Weihnachtsgeschenk nicht mehr den Kopf zerbrechen.
Foto auf Alu-Dibond
Wanddeko hängt in ihrem Fotostudio. Die Fotoalben liegen auf dem Tisch im Wartebereich, sodass sich die Kunden noch vor dem Shooting indirekt dafür begeistern lassen können. Erst nach dem Shooting erklärt sie kurz, welche Fotoprodukte bei ihr zur Verfügung stehen.
Wie kann man die Kommunikation mit den Kunden verbessern?
Werbung trägt Früchte. Natalie wird über Facebook, Instagram oder E-Mail angesprochen. In allen Fällen verweist sie ihren Kunden auf ihre Telefonnummer und Kontakt per Whatsapp. Sie findet es einfacher, die ganze Kommunikation über ein Medium zu führen, als stündig bei allen sozialen Netzwerken und Co nachgucken zu müssen. Über Whatsapp kann sie die Kunden schnell erreichen. Bei Bedarf kann man manchmal auch Sprachnachrichten aufnehmen usw.
Ohne unnötigen Smalltalk schreibt sie den interessierten Kunden an in der Art: “Schreiben Sie mir ein passendes Wunschdatum und Uhrzeit für das Shooting und dann komme ich auf Sie zurück”. Wäre es nicht einfacher, dass sich die Kunden selbst in den Kalender eintragen? Ja und nein. Manchmal wünschen sich die neuen Kunden einen bestimmten Termin, der schon zwar belegt ist, aber Natale weiß zum Beispiel, dass sie diese Uhrzeit für einen bestimmten Stammkunden reserviert hat, der gewissermaßen flexibel ist. Dann kann sie ihn kontaktieren und um einen Terminwechsel bitten. Einige Kunden würden den Termin nicht buchen, wenn sie im Kalender merkten, dass vielleicht der einzige Termin, der ihnen passt schon reserviert worden ist.
Diese Liste bekommen die Mini-Sessions Kunden von Natalie Milde noch im Vorfeld
In der Vergangenheit versuchte Natalie den Kunden telefonisch zu erklären, was es zu beachten gibt. Sie sollen pünktlich ankommen, sonst können ihre späteren Termine nicht rechtzeitig anfangen. Zu früh geht auch nicht, damit sich der frühere Kunden nicht unter Druck bzw. beobachtet fühlt. Um die Dinge zu beschleunigen müssen sie schon entsprechend angezogen, bzw. mit der Kleidung auf dem Bügel kommen. Die Kinder sollten satt sein usw.
Vom Telefongespräch kann vieles vergessen werden. Deshalb hat Natalie einen “Spickzettel” für die Kunden erstellt, damit sie sämtliche Bedingungen kennen. Alles ist schriftlich festgelegt, falls sich Missverständnisse ergeben. Im Vorhinein stellt sie deshalb immer eine magische Frage: “Haben Sie alles genau durchgelesen?” So etwas hilft unglaublich viel.
Natalie fasst all das prägnant zusammen: “Die Regeln sind da, um uns allen unnötigen Stress zu ersparen. Der Kunde braucht doch einen glücklichen, energievollen Fotografen, der nicht frustriert sein darf, dass die Kinder herumlaufen.
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